Eröffnungsrede zur Ausstellung
Maria Hahnenkamp beschäftigt sich mit dem Topos des weiblichen Körpers, mit den medialen Bildern der Werbe-, Schönheits- und Modeindustrie und auch mit den tradierten Bildern der Kunstgeschichte.
In ihrer Ausstellung in der Galerie Lisi Hämmerle arbeitet sie am Thema Porträt. Dieser Aspekt bildet in ihrer fotokonzeptuellen Arbeit eine spannende Weiterentwicklung insofern, als es in ihrer Auseinandersetzung mit dem medialen Bild immer darum geht, die scheinbare Identität, die ein fotografisches Abbild vermittelt, in Frage zu stellen. In diesem Sinn entsprechen die Porträts ihrer beiden Protagonistinnen, das siebenjährige Mädchen Laura und die Burgschauspielerin Regina Fritsch, nicht einem gängigen Schema in der Porträtfotografie. Sie bilden hingegen von der Künstlerin jeweils gestaltete Szenarios, in denen sie auf den Blick fokussiert, auf unsere oftmals unbewusste Form der Wahrnehmung eines Bildes, und in denen sie - in letzter Konsequenz - das „im Bild-Sein“ selbst thematisiert.
Regina Fritsch, die Hahnenkamp bereits 2008 im Auftrag des Burgtheaters porträtiert hat, trug wichtige Accessoires für ihre Selbst-Inszenierung bei, eine Perücke mit langen Haaren und blau eingefärbte Rosen. Hahnenkamp zog für diese mise-en-scène eine durchsichtige Folie ein, die wie ein Vorhang das ganze Bild einnimmt. Sie hüllte die nackte Schauspielerin ebenfalls in durchsichtige Folie und ließ sie in diesem schmalen fotografischen Bühnenraum davor posieren, oder versetzte sie in einer anderen Serie, als Halbakt, vor und zugleich auch hinter den Vorhang. Zusätzlich zu dem Folien-„Schirm“, in dem sich das Licht verfängt und gleichsam blinde Flecken im Bild erzeugt, überlagert und erweitert sie die „Porträts“ mit weiteren Reflexionsebenen. Zum einen überträgt sie die „blinden Flecken“ auf ein paralleles Bild, um in diese Leerstellen fragmentarische Texte aus psychoanalytischem Kontext einzuschreiben; zum anderen bestickt die Künstlerin die Bildflächen mit einem Ornament, das sich wie ein strenges, wie ein immer schon vorhandenes Netz über die Bildoberfläche legt und ihre Protagonistinnen gleichsam unausweichlich in das Bild bannt. Eine weitere Ebene schafft Hahnenkamp nochmals im Ausstellungsraum selbst, den sie – seine Architektur aufgreifend – mit Vorhängen inszeniert, und somit auch das Publikum in ihre Bildräume hinein holt.
Hahnenkamps Arbeiten handeln vom Prekären und der Verletzlichkeit menschlicher Existenz. In ihren „Porträts“ geht es um die Vielschichtigkeit eines (Ab)-Bildes und zugleich um das Bruchstückhafte, das immer auf ein Anderes verweist, das im Außen liegt. Sie zeigt, dass erst in der Beziehung zum Anderen, in der Beziehung zum Imaginären des Blicks und zum Symbolischen der Sprache, Identitäten entstehen; und sie zeigt, dass es kein vorgeblich komplettes Ganzes gibt, das die dargestellten Personen repräsentieren könnte.
Silvia Eiblmayr, 2010
Silvia Eiblmayr – Phd. in Kunstgeschichte, Kuratorin; lebt und arbeitet in Wien. 1998–2008 Leiterin der Galerie im Taxispalais in Innsbruck, 1993-1995 Direktorin des Salzburger Kunstvereins. Zahlreiche Gastprofessuren und Lehraufträge im In- und Ausland. Autorin und Herausgeberin zahlreicher Texte und Publikationen. Als Buch ist erschienen: „Die Frau als Bild“ – der weibliche Körper in der Kunst des 20. Jahrhunderts (1993/2003).