Maybe I should spend hours and dollars on perfecting myself so you will like me… Werkschau XXI – Maria Hahnenkamp Ruth Horak​

Maria Hahnenkamp ist eine der wichtigsten Künstlerinnen der zweiten feministischen Generation in Österreich. In ihren überwiegend fotografischen Arbeiten treibt sie eine kritische Auseinandersetzung mit dem Status des weiblichen Körpers in unserer Gesellschaft voran. Anders als ihre Vorgängerinnen bringt sie nicht mehr den eigenen Körper in performativ-prekäre Lagen, sondern analysiert den medialen Umgang mit dem weiblichen Körper per se bzw. die psychologische Auswirkung auf Mädchen und Frauen, die sich permanent mit jenen zurechtgerichteten, idealisierten Körpern in den Medien konfrontiert sehen. Hahnenkamp sucht auf einer zugleich ästhetisch-sinnlichen wie auch intellektuellen Ebene nach einer Manifestation dieses komplexen Macht- und Unterwerfungs-Systems.

Jahrhundertelang wurden Frauen von Männern folgendermaßen dargestellt: beim Lesen, beim Arbeiten, als Ehefrauen, stillende Mütter, Kurtisanen oder Gesellschaftsdamen. Der weibliche Akt war meist hinter dem Vorwand der Allegorie oder Themen aus der Mythologie versteckt. Im frühen 20. Jahrhundert tauchten die ersten Selbstporträts von Frauen als Akt auf; seit den 1960er-Jahren reklamierten Künstlerinnen schließlich, dass Frauen die Kontrolle darüber übernehmen sollten, wie ihre Körper dargestellt werden – und zwar nicht mehr nur als junge, verführerische, sondern auch als schwangere, leidende oder kranke Körper.

Die ausschließlich schönen weiblichen Körper in Hahnenkamps Typologien geben den Anstoß für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Platz, den die Frau – zu oft auf ihre Körperlichkeit reduziert – in der Geschlechter-Hierarchie einnimmt. Von der Macht der Bilder bewegt, hat Hahnenkamp Frauendarstellungen aus Büchern, Werbesendungen, Mode- und Pornomagazinen gesammelt, ihre Konturen, Haltungen und Blicke verglichen, durch die Reproduktion fragmentiert und sie anschließend miteinander konfrontiert. So sind Bildketten entstanden, die den Körper weitgehend von seiner erotischen Konnotation entpflichten, weil sie auf „leere“ Hautpartien fokussieren (Diaprojektion 5a); andere Arbeiten aus diesem Werkkomplex erzählen vom Bildvokabular einer einzelnen Ausgabe des Modemagazins Vogue, analysieren den Gesichtsausdruck im pornografischen und im verführerischen Bild der Modeindustrie oder vergleichen die Form der klaffenden Wunde Christi mit der Form einer Monstranz und jener der Vagina (Diaprojektion 1). Das breite Anschauungsmaterial repräsentiert durchwegs den männlichen Blick auf den weiblichen Körper und vergegenwärtigt die einseitige Sichtweise auf ihn.

1994 formulierte Dietmar Kamper drastisch das „Gefängnis aus Bildern“, Bilder, die sich um Frauen legen und sie einschnüren, zur Nachahmung drängen, ihr Selbstbewusstsein bedrängen. „Die Menschen leben heute nicht in der Welt. […] Sie leben vielmehr in ihren Bildern, die sie sich von der Welt, von sich selbst und von den anderen Menschen gemacht haben, die man ihnen von der Welt, von sich selbst und von den anderen Menschen gemacht hat“1. Kurz: Wie wird die Frau im Bild präsentiert und wie wirken diese Bilder auf sie zurück?

In Judith Butlers „Psyche der Macht: Das Subjekt der Unterwerfung“2 findet Hahnenkamp den theoretischen Unterbau und lässt 2007 Zitate daraus in die Serie Cut-Out einfließen. Sie fordert eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Subjekt der Frau, wie es in Magazinen, Tageszeitungen, Werbeplakaten, Instagram etc. plakativ und klischeegetränkt vorgeführt wird: als das Bild einer auf ihren lockenden Körper reduzierten Frau. „Es wird deutlich, dass es nicht nur um persönliches Empfinden, sondern um einen sozialen Körper geht, vor allem den weiblichen, seine Formung durch Zuschreibung und Internalisierung.“3 Auf transparente Folienbänder geklebt, sind die Sätze um die (bekleideten) Körper der Modelle gewickelt, können als schmückende Accessoires gelesen werden, transportieren jedoch eine zusätzliche Botschaft: „Denken wir […] an die weitere Bemerkung Freuds, wonach das Ich ,vor allem ein körperliches ist‘, keine bloße Oberfläche, sondern ,die Projektion einer Oberfläche‘. Zudem nimmt dieses körperliche Ich eine geschlechtsspezifische (gendered) Morphologie an, so daß das körperliche Ich zugleich ein geschlechtsspezifisches ist.“4

2016. Werfen wir einen Blick auf die aktuelle Situation. Userinnen von Youtube, Instagram, Pinterest, Snapchat und Co. haben das „Gefängnis aus Bildern“ weiter ausgebaut. Ein nicht unerheblicher Teil von Frauenbildern wird mittlerweile von Mädchen und Frauen selbst in Form von Selfies veröffentlicht. Wohlwollend betrachtet, kann man ihnen einen (selbst)bewussten Umgang mit der eigenen Geschlechteridentität, mit sozialer Anerkennung und Selbstwert zusprechen. Im Unterschied zur traditionellen Rolle des weiblichen Modells, das dem männlichen Fotografen ausgeliefert ist, vermittelt das Selfie eine Eigenverantwortung, wie die Frau ihren Körper präsentieren und „die Macht über das eigene Bild“5 behalten will, wie die Journalistin Teresa Bücker das Sich-Produzieren via Selfie verteidigt. Heute prägen nicht nur Reich und Schön oder Fotomodelle die Medienbilder, sondern auch das Mädchen von nebenan hat seine Follower. Teenager schaffen sich eigene Bilderwelten und teilen – ähnlich wie die Celebrities – ihr erfülltes Leben.

2000 hat Maria Hahnenkamp eine Gegenüberstellung lanciert, die einer ähnlichen Beobachtung folgt: In der (Doppel-) Diaprojektion 3 werden zwei Frauen vorgestellt, die zur selben Zeit in verschiedenen Verhältnissen gelebt haben. Die eine anonym, die andere weltberühmt, ergibt die Zusammenschau ihrer Bilder frappierende Ähnlichkeiten zwischen den beiden hinsichtlich Auftreten, Stil, Gesten etc. Hahnenkamp: „Es ist eine Geschichte vom Älter- und Unglücklicher-Werden. Mit Marilyn Monroe wollte ich nie etwas machen, weil sie zu sehr besetzt ist, aber es hat sich so aufgedrängt: Die gleichen Haltungen, die Zigaretten, das Muttermal – es waren unglaubliche Analogien.“6 Den gravierenden Unterschied formuliert Friedrich Tietjen: „Während die Aufnahmen der Schauspielerin unzählbar häufig reproduziert zur Ikone wurden und werden, sind die Bilder von ihrem Gegenüber nur zufällig dem Sperrmüll entkommen.“7

Welche Realität steht wirklich hinter der Repräsentation? Schließlich haben auch die Fotos der Monroe den bitteren Beigeschmack ihres Selbstmordes8. Die Frage muss man auch an die Mode- und Fitness-Blogs richten. Spürt man den Rahmen- und Entstehungsbedingungen nach, wird schnell deutlich: Was als Vorbild antritt, nährt Konsum und Essstörungen. Und nicht nur der Exhibitionismus hat mit solchen Foren eine neue Dimension angenommen, sondern – und das ist besonders bitter – die jungen Frauen bemerken nicht, dass sie durch solche Social Media-Postings wieder auf einen erotischen Körper als ihre „Bestimmung“ konditioniert werden. Ohne zu wissen, dass „viele Fotos nur vermeintlich spontane Schnappschüsse sind“9, orientieren sie sich an Aussehen und Lifestyle ihrer Vorbilder, solange diese nicht mit der Wahrheit ans Licht kommen, wie die Bloggerin Essena O’Neill. „I do countless photos trying to look hot für Instagram“ gestand sie ihren Followers und machte auch keinen Hehl aus ihrer Sucht nach Likes. Als Konsequenz hat sie sämtliche Bildunterschriften neu editiert: „NOT REAL LIFE – took over 100 in similar poses trying to make my stomach look good. Would have hardly eaten that day”10.

Eine frühe Arbeit Hahnenkamps scheint aus heutiger Sicht wie eine Vision dieser Eruption der Entwicklungen. 1992 hat sie hunderte Fotos einer Frau bei der Schönheitspflege aufgenommen. Aber nichts davon ist in Hahnenkamps Fotografien zu sehen. In einem radikalen Akt eliminierte die Künstlerin sämtlichen Inhalt, zuerst grob per Bohrmaschine mit Schleifaufsatz, dann per Hand fein nachgeschliffen und schließlich zusammengenäht. Die „typisch weiblichen“ Interessen waren damit unwiderruflich gelöscht. Der Akt des Löschens wird auch ausdrücklich in Dokumentarfotos festgehalten, sie zeigen die Künstlerin beim Schleifen. Weiße Handschuhe deuten auf ein subtiles, feines Handwerk hin, das zwar nichts Gegenständliches hervorbringt, dafür aber eine Gesellschaftskritik. Die mechanisch radikale Geste, die Fotografie ihrer Darstellung zu berauben, alle Informationen zu eliminieren und sie auf ihr Trägerelement zu reduzieren, ist Hahnenkamps Reaktion auf die mediale Vereinnahmung des weiblichen Körpers.

Der Akt der Auslöschung erinnert an Erased de Kooning Drawing von Robert Rauschenberg, der 1953 bereits in konzeptueller Manier über die Grenzen von Kunst nachgedacht und das Bild als solches in Frage gestellt hat. Kann ein Kunstwerk auch durch Entfernen geschaffen werden? In beiden Fällen war es ein langwieriger Prozess, die Abbildungen waren hartnäckig. Geblieben sind Spuren, die das Entfernen anzeigen, die ins Papier eingedrückten Bleistiftstriche oder die Schleifspuren, die an der Gelatineschicht gekratzt haben. Die Kraft solcher Arbeiten liegt darin, dass wir nicht wissen, wie die Abbildungen aussahen11 (de Koonings Zeichnung war übrigens aus der Women-Serie), aber in der künstlerischen Entscheidung liegt die Faszination. Das Löschen der Bildinhalte war 1953 und 1992 zwar aufwändig, aber im Gegensatz zu den heute geposteten Bildern zumindest noch möglich.

Die abgeschmirgelten Fotos sind die radikalste frühe Arbeit und vereinen die beiden Themen, die sich durch Hahnenkamps Werk ziehen: ihr Misstrauen gegenüber dem „Bild der Frau“ sowie gegenüber den Repräsentationsmedien im Allgemeinen sind gleichermaßen vertreten. Die hauchdünne Gelatineschicht der (analogen) Fotografie als absoluter Träger der Information ist in Folge immer wieder Austragungsort handwerklicher Eingriffe, die zwischen Akzeptanz und Angriff dieser ambivalenten Oberfläche liegen und zu den bekanntesten Werkgruppen führen. Hahnenkamp hat dafür Fotografien – Details von Frauenkörpern, Galeriewände, Raumecken und abgeschmirgelte Fotos – mit katholischen Ornamenten perforiert und bestickt oder das Ornament aus ihnen herausgerissen. Die Gelatineschicht an der Oberfläche ist also zweifach „beschrieben“: vom Licht und vom Ornament. Die Betonung der Linie ist auffällig: lineare Ornamente, Umrisslinien, Textbänder und Buchstaben – in den letzten Ausstellungen sind noch Bilderrahmen dazugekommen, die den Fall der Repräsentation anzeigen.

So geht es Maria Hahnenkamp immer auch ums Bildermachen, um die Werkzeuge – das Licht der Blitzanlage spiegelt sich etwa in der Serie Regina –, um Eigenheiten der Fotografie wie Positiv und Negativ (Regina/Fragmente), um die Gesten der Bearbeitung (sticken und abschleifen), um eine ästhetisch akkurate Ausführung und um eine – inhaltliche wie auch tatsächliche – Nähe zum Motiv: Sie zieht oft das eindringlichere Fragment der informativen Gesamtsicht vor und lanciert damit auch auf einer formalen Ebene eine Verweigerung der Schaulust. Der Bildausschnitt ist symptomatisch für die Fotografie, kann sie doch immer nur einen Ausschnitt der Realität zeigen. Die Entscheidung, einen Teil herauszugreifen, begünstigt den Eindruck, dass die Reduktion der Frau auf ihren Körper auch nur eine Teilwahrheit ist. „Das Fragmentieren ist ein Teil meiner Methode. Dabei kann ich ein Thema anreißen ohne es auf ein bestimmtes Bild zu fixieren“. (MH)

  1. Dietmar Kamper, Bildstörungen, Ostfilden 1994, S. 7
  2. Judith Butler, Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung, 2001
  3. Thomas D. Trummer, Der weibliche Körper als Schauobjekt, 2012, Link
  4. Judith Butler, Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung, 2001
  5. Teresa Bücker: Das nackte Selbst. Selfies sind ein Akt der Emanzipation. In: Zeit Online, 23. Oktober 2014. Letzter Zugriff 16. Mai 2016
  6. Maria Hahnenkamp in einem Interview mit der Autorin, 2008
  7. Friedrich Tietjen, Bilder und Abbilder, 2002, Link
  8. Marilyn Monroe starb mit 36 Jahren unter mysteriösen Umständen.
  9. Franziska Zoidl, Schön sein zum Schein, Der Standard, Beilage CURE, April 2016, S. 69
  10. Essena O’Neill auf essenaoneill.com/ (deaktiviert)
  11. vgl.: https://www.sfmoma.org/artwork/98.298